Freitag, 24. April 2015

Nebel, Frachter, Selbststeuerung, Schleusen und "shit der happens, nochmal", 8. + 9.Tag



Nach einer ruhigen und erholsamen Nacht im extrem gut geschützten Hafen von Heidanger, stehe ich erst um 7:30 des 23.4. auf – will es mal ein bisschen ruhiger angehen lassen – gucke aus dem Schiebeluk und sehe – Nichts. Na ja, ein bisschen schon – aber eben Nebel.


Erster Blick am Morgen


Ok, also noch ruhiger. Die bestellten Brötchen werden in Ruhe verfrühstückt, dann „kanalfest“ anziehen, Handy in die Tasche stecken … wo ist die Tasche? Nachdem sich die Verwirrung gelegt hat, stelle ich fest, dass ich meine Latzhose falsch ´rum angezogen habe – und die Tasche auf der anderen Seite gesucht habe – das fängt ja gut an. Andererseits war die Passform ok, manche können eben alles tragen.





Ich laufe etwas später, nun korrekt „gedresst“, aus, immer noch nebelig aber die Sicht reicht aus.
Stichkanal nach Salzgitter (3 km vom MLK)
Die Frachter sind ungefähr genauso schnell wie ich, und bis zur nächsten Biegung kann ich locker gucken. Nach einer halben Stunde hat die Sonne den restlichen Nebel dann aufgelöst.

Frachter begegnen mir übrigens auch im Mittelkanal nicht allzu oft, Begegnungen (toitoitoi) verlaufen bisher problemlos. Sie saugen im Vorbeifahren ein wenig Wasser weg, schätze so 20 – 30 cm, man soll also nicht zu dicht am Rand fahren. Mit dem „Rand“ hat es im Mittellandkanal ohnehin seine besondere Bewandtnis – es gibt alle Variationen, schräge Schotterwende, Schilfufer, die üblichen Spundwände und – Achtung – Spundwände
Einer von nicht allzu vielen.
unter der Wasseroberfläche, die aber immer mit einer Art Pfosten und Schildern gekennzeichnet sind. Aber dagegen fahren sollte man nicht.

Zurück zu den Frachtern. Die meisten sind aus Polen, oft aus Stettin (ich weiß, das heißt jetzt anders, irgendwie mit SZC..), grüßen freundlich und weichen aus. Wellenschlag von den Frachtern gibt es fast nicht, unangenehmer sind da die Freizeitmotorboote.
Warum nicht mehr Frachter unterwegs sind, weiß ich nicht, Transporte auf diese Art sollen doch das beste Verhältnis von transportierten Gütern zu den Treibstoffkosten haben, also umweltverträglich. Vielleicht eignen sich zu wenige Güter für diese Transportart – oder es dauert zu lange?
Ich freue mich immer wieder über die Namen, von „Andrea“ über „Yggdrasil“ bis „Zeus“ ist alles dabei – und wie schon gesagt – fast alle mit Tüll- oder Spitzengardinen.

Ist es leichtsinnig im Kanal die Selbststeuerung zu benutzen? Ja und Nein, man muss schon aufpassen, aber dann hat sie sogar einen Sicherheitsvorteil.
Zweites Frühstück unterwegs.

Hallo Kleiner ...
Meine TP22 von Simrad (das "Einhorn", wie die Jungs sagen) macht jedenfalls einen prima Job. Einkuppeln, kurz warten, ob alles funktioniert, dann kann man auch als Alleinfahrer schnell mal unter Deck, um einen Kaffee zu holen, eine Jacke, Mütze, Handschuhe usw..Ich bleibe aber natürlich immer nur Sekunden unter Deck, aber das lieber mit Selbststeuerung als ohne.
Unterwegs immer mehr Industrie.
Schon wieder da?
Lass die kleine Bachstelze in Ruhe.



Immer auf dem Laufenden

Der Mittellandkanal ist aber auch hier speziell.
Unter der Autobahndurch
Lust auf Kaffee, TP22 eingekuppeln, dann bisschen gewartet und wollte gerade schnell nach unten, als das Einhorn einen kleinen Zickzack-Kurs hinlegte, um sich danach gleich wieder zu beruhigen.
Was war das? Kaputt? Etwas beunruhigt schaute ich in unser krummes Kielwasser, das bis zu Brücke hinter uns zu sehen war.
Aha - die Brücke - über den Mittellandkanal gehen jede Menge Brücken (viel mehr als in den anderen Kanälen) und oft sind sie ziemlich alt und aus Eisen. Diese Oldtimer lenken den Kompaß ab - und Einhorn wird nervös.
Ein Test bei der nächsten Brücke bestätigte das, kurz zickzack, dann wieder ok..

Also Vorsicht, frischen Kaffee nie unter Brücken holen.
Auf dem Weg zur Schleuse Anderten

Die einzige Schleuse auf meinem Weg nach Hannover heute war die Schleuse Anderten, knapp 15 Meter Hub, nach unten, 217 Meter lang, 12 Meter breit. Nach meine bisherigen Erfahrungen ging ich die Sache optimistisch an, sollte aber unangenehm überrascht werden.
Über Funk wurde ich als 3.Schiff zum Einfahren aufgefordert, hinter 2 langen und hohen Frachtern.

Die Schleuse ist leider nicht besonders für Sportboote geeignet, wenige Poller, zu weit auseinander. Ich lag ganz hinten dicht am Tor, und richtete gerade das Boot aus, als es auch schon los ging - keine Ahnung warum so schnell, jedenfalls war ich noch nicht ganz fertig und scheuerte mit dem nach hinten überstehenden Mastenende kräftig an der Schleusenkante entlang - nur kurz - aber der Schreck fuhr mir ordentlich in die Glieder.
Danach lief alles problemlos - aber ein Schaden war leider entstanden. Vom Masttoppbeschlag fehlte ein Stück, sonst ist alles heil geblieben.
Nachdem die erste Wut verraucht war, und ich nach der Schleuse den Schaden besichtigt hatte, musste ich mich dazu entscheiden, ein Ersatzteil zu bestellen. So konnte ich zwar weiter Kanalfahren, aber nicht Segeln - und das will ich ja auch noch.
Die Entscheidung, wo und wann ich bestelle, fiel dann im Yachthafen von Hannover, weil ich hier einen prima Liegplatz habe, an dem ich leicht an den Mast herankomme,

Blöde Schleuse
Ein Unglück, Pech, oder doch Fehler? kommt selten allein: Die Dehler Marina wollte das Teil sofort versenden - aber was passiert? Die Post streikt!!! Ich bekomme das Ersatzteil also frühestens am Dienstag - solange mache ich Urlaub in Hannover.
Ist gar nicht schlecht - der Hafen ist gut, der stellvertretene Hafenmeister ist nett und ein Bootsnachbar dessen Hund auf den Namen "Schimanski" hört, wohnt auf seinem Motorboot und gehört wie der Hafenmeister in die Erinnerungsschublade der positiven Begegnungen.


Aber gewünscht hätte ich es mir doch anders - shit happens, hoffentlich nicht noch öfter.

Kurs West
Mein Kurs nach Westen wird also ein wenig unterbrochen, Zeit auszuruhen, die Hände mit Handcreme zu pflegen (wichtig, dann das wichtigste Werkzeug wird doch ganz schön beansprucht) und Zeit, mit dem Lesen anzufangen, denn bisher bin ich noch gar nicht dazu gekommen - und schließlich mache ich ja Urlaub.

Bloß weg hier...














Der Aufenthalt (war ja ohnehin geplant - aber kürzer) hat mir Gelegenheit gegeben, Hans-Hendrik (Cousin)und Karen zutreffen, wir hatten einen sehr netten Abend im prima Hafenrestaurant "Schifftaurant".
Yachthafen Hannover
Heute habe ich einen Ausflug in die City gemacht, in Hannover habe ich bis zum Abi gelebt und bin hier geboren, Vieles kam mir bekannt vor - aber die Veränderungen sind schon gewaltig. Vom Aegi, über das Kröpcke zum Steintor, leider hohe "Bettlerdichte", gegenüber vom alten Schwimmbad am
Großer kommt vorbei, alles im Rahmen.
Steintor - wo ich meinen DLRG-Schein gemacht habe, gab es damals Pferdewürstchen (nach jedem Schwimmen), jetzt natürlich nicht mehr - ist ja auch mindestens 50 Jahre her.
Meine Reise quer durch Europa ist eben zum Teil auch eine Reise zu einigen Punkten aus meiner Vergangenheit - schön.











 



Außerdem gibt mir die teilweise unfreiwillige Pause Gelegenheit, ein wenig Statistik zumachen:

Brückennachbar
Unterwegs:                7 Tage
Motorstunden:           51,1
Dieselverbrauch:   ~  50 Liter
Ölverbrauch:         ~    1 Kaffeetasse
Seemeilen:                 242
Geldausgabe:            162 €, davon ~ 60 für Diesel








Fazit: Bisher gut vorangekommen (etwa grob 1/4 der Strecke bis ins Mittelmeer), leider jetzt Unterbrechung. Geld: "low budget".

Es geht weiter ...